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Westernsättel – oft missverstanden!

Artikel von Rika Kreinberg


Einen umfassenden Einblick in die KREINBERG-Besattlung konnten Interessierte in dem Fach-Magazin "Feine Hilfen", Ausgabe 27 erhalten. Das Magazin hat sich hier umfassend dem Them Besattlung gewidmet. Die Autorin und Sattelberaterin Rika Kreinberg schildert hier nicht nur den funktionalen Unterschied zwischen der konventionellen Besattlung mit der von Trachensätteln (Western usw.), sondern geht auch detailliert auf Fragen der Anpassung in Bezug auf Reiter und den Pferdekörper in der Dynamik ein. Bestellen Sie das Heft Nr. 27 bei Interesse bei "Feine Hilfen".



Stellen Sie sich vor, Sie stehen auf zwei Skiern auf Schnee. Die Last Ihres ganzen Körpers liegt nur auf ihren Fußflächen, von Zehenspitzen bis Ferse. Dennoch brechen Sie nicht in den pulvrigen Schnee ein. Grund dafür: die verlängerte Fläche der Skier unter Ihrem Gewicht verteilt dieses nach vorne und nach hinten auf eine größere Fläche als Ihre Fußsohlen. Betrachten Sie diese zwei Skiflächen als rechte und linke Trachte des Trachtensattels (im Western genannt „Bars“), so erklärt dies ganz gut die Gewichtsverteilung durch einen Trachten-Sattelbaum. Das Gewicht des Reiters wird über die dem Rücken angepasste Grundform des Baums über eine sehr viel größere Rückenfläche verteilt.



Jeder sogenannte Trachtensattel (Wanderreit-, Western-, Campagne- / Militärsattel) mit einem festen Baum funktioniert nach diesem System. Er hat die Funktion, den Rücken des Pferdes vor dem Reitergewicht zu schützen, indem er es auf eine größere Fläche verteilt. Zusätzlich ausgeglichen und individuell angepasst mit einer Sattelunterlage, die in Material und Stärke stark variieren kann, kann sich das Pferd so unter dieser flächig aufgebauten Sattelbaumform lange bewegen, ohne, dass punktuelle Druckspitzen seine Bewegung stören. Vorausgesetzt Winkelungen, Schwung und Grundharmonie des Baums passen zu dem individuellen Pferd und die Sattelunterlage wurde mit angepasst.

 

Dieses Prinzip der Lastverteilung durch Vergrößerung der Auflagefläche unter dem Reitergewicht folgt einem ganz anderen Konzept als der Pritschensattel (Vielseitigkeit, Dressur, Springen und sonstige). Dieser besteht aus Sitzfläche, Kammeisen und eine am Rahmen bzw. an der Sitzschale angebrachte Polsterung. Er weist eine andere Grundstatik auf und ihm liegt ein ganz anders zu beurteilendes Sattel-Konzept zugrunde. Ein System ist dabei aber nicht besser oder schlechter als ein anderes. Sie sind in Funktion und Wirkung aber unterschiedlich zu beurteilen, zu bewerten und vor allen Dingen an das Pferd und die Anforderungen, die der Reiter an es stellt, anzupassen.

 

Verantwortungsvoll besatteln – ganzheitlich beurteilen


Im Westernbereich gibt es heute ganz unterschiedliche Satteltypen mit verschiedenen Baumformen, Gurtungen oder Sitzformen. So ist ein Cutting-Sattel beispielsweise mit einem höheren Horn ausgestattet und seine Steigbügelaufhängung ist weiter vorne angebracht, um den Reiter in der Disziplin Cutting (rasante Bewegungen am Rind) in die Balance zu bringen. Für den engagierten Dressur- oder Freizeit-Westernreiter sind diese Sättel nicht optimal geeignet, für einen Cuttingreiter aber genau richtig. Zahlreiche verschiedene Satteltypen sind so zu finden (Turnier, Freizeit, Altkalifornisch/Buckaroo usw.) und für die jeweilige Sparte sinnvoll.


Für Reiter, die einen dressurmäßigen „Schnitt“ im Westernsattel suchen, gib es auf dem Markt unterschiedliche Angebote. Unabhängig der Sattelnamen wie „Lady“, „Buckaroo“ oder „Dressage“ ist ausschließlich die Harmonie der individuellen Baumform, der im Sattel festgelegte Balancepunkt für den Reitersitz sowie die Platzierung von Steigbügelaufhängung und Gurtung von entscheidender Bedeutung. Hier wird festgelegt, wie gut der Reiter in diesem Sattel im Gleichgewicht mit dem Pferd zum Sitzen kommen kann und der Sattel auf dem Pferderücken zum Liegen kommt. Jeder Sattel sollte unbedingt vom Sattelberater in der Bewegung (Reiter auf dem Pferd) gesichtet und beurteilt werden, da es immer ein dynamischer Prozess zwischen Pferd, Pad, Sattel und Reiter ist. Ob der Reiter von seinem Ausbildungsstand her schiebt, drückt, in Wendungen lehnt, eine starke Handverbindung zum Maul hat, in den Adduktoren spannt oder ganz ohne Statik wie ein Mehlsack sitzt – all dies hat Auswirkungen darauf, wie sich die Muskulatur des Pferdes auf der Unterseite des Sattelbaums (Trachten) anfühlt und bewegt.



Ein im Rücken verkrampftes Pferd drückt vielleicht durch die Kontraktion seiner Muskeln mehr von unten gegen den Sattelbaum (setzt den Reiter vielleicht schief hin) als eines mit losgelassener, gleichmäßiger und weich an- und abspannender Muskulatur. Die Baumform mag also prinzipiell passen, aber die Muskelnutzung des Pferdes wäre als problematisch zu erkennen. Somit liegt es in der Verantwortung des Besattlers zu erkennen, ob der Baum unabhängig von dem individuellen „Reitstil“ gut passt und, ob vielleicht Disharmonien in der Muskelausbildung (Trainingszustand und Schiefen von Reiter und Pferd) zu optimieren wären.


Ein Sattel kann nicht alles kompensieren, ein gut passender und symmetrischer Trachtensattel aber schon sehr viel. Er kann dem Pferderücken größtmöglichen Schutz bieten, so dass Anfänger und Einsteiger darauf gut lernen können, ohne das Pferd dabei zu stark zu beeinträchtigen. Zahlreiche Beispiele sehe ich im Alltag, wo engagierte Freizeitreiter – hauptsächlich auf Kompaktrassen - harmonisch und ohne muskuläre Probleme viele Jahre durch den Wald reiten – bis ins hohe Alter mancher Pferde, auch wenn diese nicht immer ganz „gerade“ sind.

 

Sattelunterlagen anstatt Polsterung – ein wesentlicher Unterschied


Was im konventionellen Sattelbereich die Polsterung bewirkt, bestimmt im Westernbereich die Sattelunterlage, das sogenannten Pad. Da der traditionelle Westernsattel, ganz gleich ob aus Texas oder von der Westküste, unter dem Holzbaum keine zweckmäßige Polsterung aufweist, ist bei der Anpassung die Beurteilung der Sattelunterlage wesentlich. Viele Jahre haben wir mit dem „medilogic®“ Messpad gearbeitet. Hier wird eine dünne Matte zwischen Sattelunterlage und Sattel platziert und man kann dann die Newton-Druckpunktverteilung pro Quadratzentimeter am Monitor in der Bewegung sehen: wie bei orthopädischen Fußmessmatten zeigt die Farbschattierung auf dem Bildschirm die Druckverteilung.


Jahrelang hat Peter Kreinberg diese Messmatte zur Optimierung seiner Bäume genutzt. Das verblüffende: derselbe Sattel, derselbe Reiter und dasselbe Pferd, aber unterschiedliche Sattelunterlagen ergeben gänzlich unterschiedliche Druckbilder. Von „hohe Druckpunkte, passt gar nicht“ bis hin zu „liegt gleichmäßig ohne jegliche Druckpunkte“ sind die bildgebenden Darstellungen. Die Beurteilung der Sattelunterlage ist somit von ganz entscheidender Bedeutung bei der Anpassung von einem Westernsattel.



Daher ist die Arbeit mit den verschiedenen Sattelunterlagen im Westernbereich auch der Regelfall. Ob Moosgummi, Viscoschaum, Memmoryfoam, Filz, Lammfell oder andere Kombinations-Materialien – hier ist wieder individuell das Pferd und seine Beschaffenheit (Gewebe, Muskulatur, Bewegungsprofil) entscheidend für die Wahl von Material und Stärke des Pads. Erfahrene Westernreiter sind seit vielen Jahren damit vertraut. Sie beurteilen in der Regel selber, welche Stärke wohl gerade funktional ist und rufen den Sattler nur, wenn sie unsicher sind. Beispiel: Das Pferd ist im Sommer wanderreitschlank und im Winter offenstallrund oder umgekehrt im Sommer weiderund im Winter hallensportlich – viele Westernreiter gleichen dies selbstständig mit einer dickeren oder einer dünneren Sattelunterlage aus und kommen damit gut zurecht. Vorausgesetzt der Grundschnitt des Baumes stimmt. Im konventionellen Bereich ist dies anders, da hier das Nachpolstern und der Service eines Sattlers bei schon kleinen Veränderungen des Pferdes nötig ist.

 

Western-Satteltypen variieren in ihrer Funktionalität


Es gibt ganz verschiedene Baumsysteme auf die ich nicht detailliert eingehen möchte, da dies den Umfang des Artikels sprengen würde. Auch im Westernbereich ist das Angebot umfassend: von günstiger Stangenware, über renommierte gute Sattelmarken und Sattelhersteller bis hin zu Angeboten von Maßsätteln ist alles dabei. Sattelbäume aus Holz, aus Kunststoff, aus Kombi-Materialen, mit 3-D Messdaten beraten oder ohne. Am Ende des Tages benötigen Sie einen Sattelberater oder Sattler, der Ihnen alle Fragen fachlich und für Sie verständlich erläutert, der Sie und Ihr Pferd im Stand, in der Bewegung und mit den Sattelunterlagen sichtet und aktuell bewertet. Der Sattelbauer oder -berater sollte auch dynamische Prozesse – also Pferd und Reiter in der Bewegung  – beurteilen können, und am besten auch selbst Reiter sein.


Wippt der Sattel störend, wippt er weich mit der Schwingung des Rückens mit, geht Bewegungsenergie des Sattels auf dem Rücken von hinten nach vorne oder eher von vorn nach hinten oder hat er eine starke Rechts-links-Bewegung? Wo ist die Sattellage und wo die Gurtlage? Rutscht der Sattel etwas und wenn ja wohin und warum? Ist der Reiter oder das Pferd muskulär unterschiedlich stark ausgeprägt? All dies und die möglichen Wirkungen zeigen sich nur vor Ort am Pferd.

 


Wichtig: Genetik & individueller Typ


Die Nutzung des Pferdes ist bei der Besattlung genauso wichtig wie die Passform für das individuelle Reiter-Pferdpaar. Was will ich wie lange mit meinem Pferd reiten und wie reite ich es? Dies sollte grundsätzlich bei der Wahl des Sattels bedacht werden, unabhängig von der Reitweise. Peter Kreinberg konzipiert seit 40 Jahren Westernsättel für Pferde aller Rassen mit Reitern aller Reitweisen und Reitstile. Eine klare Unterscheidung in den Pferdetypen und deren biomechanischen und genetischen Grundstrukturen war dabei lehrreich und wird stets mit beurteilt.


Die Bandbreite an Rassen ist groß: Warmblüter, Iberische Pferde, Tinker, Araber, Norweger, Westernrassen wie Appaloosas, Quarter Horses oder Paint Horses, Huzulenmixe, Traber, Isländer oder Haflinge. Auch die teils mit der Rasse verbundene Reitweise spielt eine Rolle bei der Sattelwahl. Die individuellen und auch genetisch angelegten Aspekte im Pferd wie Gangmotorik, Muskelstruktur und Muskeltonus sind teilweise auch mit dem mentalen Zustand des Pferdes gekoppelt. Das junge noch wenig ausgebildete spanische oder arabische Pferd wird häufig nicht durchgehend positive und gleichmäßige Muskeltätigkeit aufweisen, wie es ein routiniertes und weiter ausgebildetes Pferd tut. Und das ist ganz normal. Den Kopf hochnehmen und schauen, den Rücken für kurze Momente anspannen – dies sind natürliche Verhaltensmuster von Pferden, die am Anfang der Ausbildung stehen. Daher lassen sich junge Pferde oft noch nicht so gut sitzen, wie diejenigen, die taktsicher, rhythmisch und gesetzt in ihrer Spur laufen. Für den Sattelberater umso wichtiger zu verstehen, dass so ein Pferd von sich aus noch keine gleichbleibende Rückenstruktur anbietet, sondern diese noch entwickelt.


Funktionalität und Verwendungszweck abstimmen


Wenn Sie den Sattel mit einem Schuh vergleichen, so macht es Sinn, für spezielle Vorhaben das richtige Paar zu tragen: beim Wandern Bergschuhe, für das Joggen Laufschuhe und für den Alltag bequeme Allroundschuhe. Spezialisierte Formen des Reitens und Trainings wie beispielsweise Springsport benötigen daher Springsättel. Mit einem Westernsattel macht dies funktional keinen Sinn. Dressurreiten im Springsattel ist für den Reitersitz nicht förderlich und Ausritte mit einem Dressursattel mit viel Schritteinheiten, in denen das Pferd nur wenig Grundspannung aufweist im Vergleich zur Arbeit auf dem Viereck, kann für das Pferd muskulär von Nachteil sein. Denn ein „auseinandergefallenes“ Pferd im Schritt am langen Zügel lässt den Rücken etwas durchhängen und bewegt sich nur wenig engagiert über seine Rumpf- und Bauchmuskulatur. Den Reiter so über einen langen Zeitraum zu tragen ist für kurzrückige Pferdetypen vielleicht machbar, für Pferde mit weichen längeren Rücken sicher eine Herausforderung. Hier kann eine große Auflagefläche des Sattelbaums helfen. Sie sehen schon, dass die Frage der Nutzung und der Dauer mit ausschlaggebend für die Besattlung ist. Viele Freizeitreiter nutzen daher einen guten „Allround“-Westernsattel mit dem sie in der Reitbahn wie auch mehrere Stunden im Gelände reiten können. Oder sie haben einen Dressursattel für die Arbeit in der Reitbahn und einen Trachtensattel (Western usw.) für das Reiten im Gelände – das liegt bei jedem Reiter selbst, ist aber heute keine Seltenheit mehr und pferdeschonend.


Kurz genug soll er sein!


Unser Anliegen ist es stets, den Reiter „balanciert“ hinzusetzten, das ist wesentlicher Schwerpunkt in unseren Reitseminaren. Daher ist die Passform des Sattels auf dem Rücken genauso wichtig wie die Sitzform für den Reiter.


Der Schwerpunkt des Reiters soll weich und tief im Sattel ruhen. Problemlos sollte er seine Fersen unter seine Hüfte bringen oder seine Oberschenkel wenn nötig nach hinten nehmen können. Bewegungsfreiheit ist im Westernsattel ein gewünschter Aspekt. Auch die Sitzfläche (Sitzbeinhöcker / Hüftgelenke) des Reiters oder der Reiterin sollte individuell berücksichtigt werden. Der Sattel sollte es dem Reiter ermöglichen, dressurmäßig, locker und im Gleichgewicht zu sitzen. Ob die Sitzfläche hierbei für den Reiter kürzer oder länger sein muss ist individuell im Sattel zu beurteilen.


Wir raten von Standartangaben ab, da die Stärke und Form der Sitzpolsterung sowie die Auswölbung von Sitz und Cantle (Zwiesel) erheblich zur Größenbestimmung des Sitzes beiträgt. Jeder Sattel sollte probegesessen und geritten werden, um die optimale Sitzgröße für den Reiter zu bestimmen. Auch Ausbildungsstand und Geschmack spielen eine Rolle. Ein routinierter Reiter mit einer guten Mittelpositur sitzt anders in einer bestimmten Sitzgröße als ein Reit-Einsteiger mit wenig Körperstatik bzw. Muskeltonus.


Ein Sattel der für das Pferd vom Baum her passt, in der Waage auf dem Pferderücken liegt und kurz genug ist, damit er den Reiter mittig über den Brustwirbeln und dem Rippenkasten platziert, ist im Westernbereich notwendig. Hier ist aber stets der Baum und dessen Lastverteilung zu beurteilen und nicht das Leder. Dieses kann im Einzelfall aber auch störend sein, wenn die Skirts (Lederflächen) durch ihre Länge das Pferde zur Hüfte oder zur Schulter hin in der Bewegung einschränken.  Betrachtet man Westernsättel aus der Zeit um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert, speziell die von der Westküste der USA (Kalifornien), und vergleicht diese mit modernen Western-Sportsätteln so stellt man fest, dass die modernen Sättel in Sitz und Bars (Trachten) deutlich länger geworden sind. Dies mag den Anforderungen der Reitsportdisziplinen geschuldet sein, hat aber hin und wieder den Nachteil, dass der hintere Sattelbereich für den ein oder anderen Pferderücken zu lang sein kann.  


Wir legen größten Wert darauf, dass der Sattel kurz genug für das individuelle Pferd ist und der Übergang von Brust- zu Lendenwirbelsäule sowie die Schulterblattbewegung des Pferdes im Sinne der Westernbesattlung berücksichtigt wird.Jeder Sattler und jeder Sattelberater hat seine eigene Sichtweise, je nachdem bei wem er gelernt hat oder aus welcher Sparte er kommt. Für Pferdebesitzer ist es da nicht leicht, die beste Lösung zu finden. Es empfiehlt sich immer, weiter zu lernen, sich zu informieren und bei der Sattelberatung die Schritte und Sichtweisen zu hinterfragen.  Besattlung ist Vertrauenssache.



 

Text: © The Gentle Touch GmbH

Dieser Text erschien auch im Fachmagazin „Feine Hilfen"

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